Tocotronic und die Golden Years

Tocotronic und die Golden Years

von ART BRÜT

Es gibt Bands, die kommen und gehen. Und es gibt Bands, die bleiben – nicht nur als musikalische Konstante, sondern als Begleiter durch verschiedene Lebensphasen. Tocotronic ist für viele genau das: ein Spiegelbild der eigenen Entwicklung, ein Soundtrack des Aufbruchs, der Orientierungslosigkeit, der Wut, der Melancholie und des Ankommens.

Für manche begann diese Reise mit "Die Welt kann mich nicht mehr verstehen". Ein Song, der ein Gefühl auf den Punkt brachte, das viele in ihrer Jugend in sich trugen: das Unverstandensein, die Distanz zur Welt, die Sehnsucht nach etwas Unbestimmtem. Tocotronic haben nie Parolen geliefert, sondern Stimmungen eingefangen – und damit etwas geschaffen, das weit über die 90er hinaus relevant blieb.

Von der Jugend bis ins Jetzt – Tocotronic als Spiegel der Zeit

Was als Hamburger Schule begann, entwickelte sich mit jedem Album weiter. Die rotzigen, simplen Hymnen der Anfangstage wichen mit K.O.O.K. und Pure Vernunft darf niemals siegen komplexeren Arrangements und poetischeren Texten. Die Unendlichkeit schließlich wurde fast zu einer autobiografischen Reflexion über Vergänglichkeit und Erinnerung – ohne jemals an Relevanz zu verlieren.

Mit dem neuen Album setzen Tocotronic genau hier an. Die Songs klingen gereifter, aber nicht altersmilde. Die Melodien haben Tiefe, ohne an Direktheit einzubüßen. Die Texte schwanken zwischen Klarheit und Rätsel, zwischen Persönlichem und Allgemeingültigem. Sie haben nicht den Anspruch, Hymnen für eine neue Generation zu schreiben – und genau das macht sie so zeitlos.

Das neue Album – ein weiteres Kapitel, das passt

Tocotronic war nie eine Band, die den einfachen Weg gegangen ist. Auch das neue Album, Golden Years, fordert heraus, lässt Raum für Interpretation und Wiederentdeckung. Es ist kein Nostalgieprodukt, sondern ein ehrlicher Ausdruck des Jetzt – und genau deshalb fügt es sich nahtlos in den roten Faden ein, der für viele Fans seit Jahren existiert.

Es gibt Bands, die begleiten ein Leben lang. Nicht, weil sie sich nicht verändern, sondern weil sie es tun – und dabei immer auf eine seltsame Weise vertraut bleiben. Tocotronic ist eine dieser Bands. Wer mit ihnen aufgewachsen ist, findet sich auch heute noch in ihrer Musik wieder. Vielleicht nicht mehr auf dieselbe Art wie früher, aber doch so, dass es immer noch Sinn ergibt.

Autorin: Kristin Matousek